Glasplatten- Stereobild- Diarama- Abfotografiergerät 

Was zur Hölle soll das denn sein, werden die meisten jetzt denken.

Nun, das war ein Projekt, bei dem ein Freund mich bat, über 100 uralte Glasplatten Fotos seines Opas irgendwie zu digitalisieren. Erste Reaktion: Kein Problem, rauf auf den Scanner, scannen, trimmen, speichern - fertig!

Denkste: Glas auf Glas, das sollte man aus dem Physikunterricht (zu irgendwas muss der ja gut sein) noch wissen, gibt so ne Art Vakuum, also irgendwie eine ziemlich hohe Haftkraft, wenn man die Glasplatten wieder trennen will. Kommt bei so alten Fotos also ziemlich blöd, wenn man die nach dem Scannen wieder von der Glasplatte nehmen will ohne sie kaputt zu machen. Geht sauschwer und ist dem Material nicht sonderlich zuträglich. Zudem waren auch einige Fotos dabei, da waren die Glasplatten schon zerbrochen und wurden nur noch von der aufgedampften Fotoschicht zusammengehalten, die konnte man also gar nicht scannen, hätte zu deren Zerstörung geführt. Weiterhin ist Scannen sehr zeitaufwändig, da man immer nur ein paar Fotos gleichzeitig auf den Scanner legen kann und die dann aus dem Gesamtscannerbild wieder einzeln ausschneiden muss. Irgendwie also alles suboptimal. Das MUSS doch auch irgendwie anders zu lösen sein!

Aber wie?

Hilfreich:
Erstmal nachdenken.

So sollte das Endergebnis dann aussehen (einer der ersten Scans):

alte Kirche stereofoto s/w
Alte zerfallene Kirche (sehr stimmungsvoll)

Wie kommt man nu dahin? Abscannen wäre das Mittel der Wahl, aber wie oben beschrieben-> schwierig. Also wieder was bauen.

Zum Glück hatte ich noch einen alten Flachbettscanner rumliegen. Den mal flott zerlegt, da läßt sich garantiert was fummeln. Wir brauchen nur die stabförmigen Lampen, weil die ein gleichmäßiges, sehr helles Licht auf der Gesamtlänge der Fotoplatten produzieren. Dann brauchen wir noch die Milchglasplatte des Diaaufsatzes, um das Licht der stabförmigen Scannerlampe gleichmäßig zu verteilen, sozusagen ein Lichtdiffusor. Nun müssen wir nur noch die Elektrik so anpassen, dass das Licht dauerhaft leuchtet. Und zack haben wir, wenn wir das ganze mit einem digitalen Fotoapparat koppeln, einen Gegenlichtscanner
Sah dann so aus:

komplettaufbau

Bei 1) wird das Objektiv des digitalen Fotoapparates durchgesteckt. Der sollte auf Makromodus stehen, maximale Auflösung sollte eingestellt sein, komprimieren kann man immer noch; muss man halt ein bißchen mit den Einstellungen der Digicam spielen, bis es passt. Die Höhe der "Kamerahalterung" (also die obige Pappröhre) ist von Kamera zu Kamera unterschiedlich, auch hier im Makromodus ein bißchen probieren, bis das Ergebnis den eigenen Ansprüchen genügt.
2) ist der Teil der Elektronik des Scanners, der die Lampen ansteuert und leuchten lässt (den Rest der Elektronik brauchen wir nicht). Da das ganze ziemlich offen da liegt, sollte man halt ein bißchen aufpassen, dass man da keinen Schlag kriegt!
3) ist das olle Gehäuse des Scanners, das für den Umbau herhalten musste.

Funktionsweise

details der beleuchtungseinheit

So funktioniert das Ganze en detail.
1) is wieder das alte Gehäuse des Scanners.
2) ist die Stablampe, die im Scanner mal für die Beleuchtung gesorgt hat.
3) ist die Milchglasplatte, die die punktförmige (in dem Falle ein länglicher Punkt) Lichtquelle auf die Fläche verteilt.
4) ist ein Schlitz im Kamerahalter um...

von oben

die Glasplatten in Pfeilrichtung da durchschieben zu können. So vermeide ich den Effekt, der oben beschrieben wurde. Die Glasplatten "kleben" nicht auf der Milchglasscheibe fest und ich kann sogar zerbrochene Glasplattenfotos zerstörungsfrei "abscannen", in dem Fall abfotografieren. Man schiebt also Glasplattenfotos von rechts rein, die Kamera liegt oben auf dem Kamerahalter (siehe erstes Bild 1) ), Auslöser drücken, erstes Foto fertig.
Mit der nächsten Glasplatte schiebt man die bereits Abfotografierte nach links raus, ohne sie auch nur einmal mit den fettigen Fingern berührt zu haben. Bei so alten Sachen kann das Fett der Finger schon zu langsamer Zersetzung der Fotoschicht führen.
So kann man dann der Reihe nach recht flott (natürlich mit dem nötigen Fingerspitzengefühl) die alten Fotos in einer sehr guten Qualität digitalisieren. 

Die Nachbearbeitung erfolgt dann am Rechner. Also Trimmen, Namen geben, evtl. komprimieren etc.

Ich finde, die Ergebnisse sprechen für sich:

brandenburger tor anno 1900 und ein paar zerquetschte
Brandenburger Tor um 1900 und ein paar zerquetschte

Neuschwanstein in 3d ;-) und S/W
Schloß Neuschwanstein (wer hätts erkannt?)

Jetzt muss man sich nur noch eine Möglichkeit überlegen, wie man den 3D Effekt dieser alten Stereoramabilder am PC wieder zum Leben erwecken kann. Theoretisch müßte man ja nur ein Blatt senkrecht zur Monitorebene zwischen die Bilder halten, damit jedes Auge nur ein Bild sieht und ihm so räumliches Sehen vorgegaukelt wird. Habs noch nicht ausprobiert, mach ich vielleicht mal. 

Wer also ein ähnliches Problem mit dem Abfotografieren alter Glasplattenfotos hat, viel Spaß beim Basteln, vielleicht war ihm ja diese Anleitung eine Anregung.

Wenn ja würde ich mich über eine Mail und Erfahrungen freuen.

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